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Samstag, 5.10.:

Heute wird es wirklich ernst. Kaisermarathon mit 2.160 Höhenmetern. Am Vortag mit Müh und Not ein vorgezogenes Frühstück ausgehandelt: 07:15 Uhr. Tee mit 2 Marmeladesemmeln, mehr will ich meinem Magen nicht zumuten. Wetter so la la, allerdings ist ab der Mittagszeit Regen angesagt. Wieder runter ins Tour de Tirol-Dorf. 9:20 Uhr: Läuferbesprechung mit Beschreibung des Streckenverlaufes (Im Nachhinein: Glaub nie, aber nie, einem Tiroler, wenn er dir etwas von einer flachen Strecke erzählt. Genau das hätte sie sein sollen bis zur Halbmarathonmarke in Ellmau. Real ist es ab 09:30 Uhr ein ständiges Auf und Ab, wenn auch gut laufbar).

Ellmau bringt die Wende. Gehen wird in mein Repertoire aufgenommen. Über steile Bergstraßen und Wanderwegen geht es 750 m höher auf den Hartkaiser. Immer wieder versuche ich zu laufen, bleibe dabei aber vorsichtig, denn das dicke Ende kommt ja noch. Das Wetter wird schlechter. Nebel zieht auf. Es beginnt zu regnen. Die Steigungen wollen kein Ende nehmen. Hinter jeder Biegung erhoffe ich endlich in flacheres Gelände zu kommen. Fehlanzeige reiht sich an Fehlanzeige. Vereinzelt sorgen zumindest einsame in Regenponchos gehüllte Wanderer für Abwechslung. Was die sich wohl denken? Irgendwann endlich ein erstes Oben. Durchatmen. Sammeln. Essen und Trinken. Weiter geht es, nunmehr wieder vermehrt im Laufstil, oder was davon zunächst noch übrig ist. Jetzt haben wir einen Abschnitt vor uns, der über Wanderwege ohne extreme Steigungen ein paar Kilometer über den Berg führt. Sicht eingeschränkt, weiter Regen und es wird windiger. Ein wenig wird mir nun auch kalt, aber es gelingt mir, dieses Gefühl zu ignorieren. Gutes Mittel dagegen: etwas schneller werden.

Wirklich schnell, natürlich für meine Verhältnisse, werde ich dann, als es ein paar Kilometer runter zum Hexenwasser geht. 400 Höhenmeter werden abgearbeitet. Ab jetzt überhole ich Läufer um Läufer. Erstaunt stelle ich fest, dass Bergläufer in meiner Preisklasse keine guten Bergabläufer sind. Denke, ich überhole bis zum Hexenwasser = Mittelstation der Gondelbahn zwischen 30 und 40 Läufer. Das motiviert unendlich. Hallo Adrenalin, freu mich, dass du da bist. KM 39: Hexenwasser. Noch gut 3 km, aber was für welche. Ich bin aufgeputscht. Der Sprecher erwähnt meinen Namen und philosophiert über das ULT Heustadlwasser. Sonja und Bastian, der ist morgen beim Halbmarathon dran, versorgen mich mit Getränken und Gels.

Weiter geht’s: Noch 3 km, aber 700 Höhenmeter. Ein Wahnsinn. Aber ich bin geil drauf. Ich komm da rauf und wenn es auf allen Vieren ist. Eine Stunde habe ich mir ihm Vorfeld dafür vorgenommen. Es sollte sich also eine Endzeit unter 5 Stunden ausgehen. Schwarze Piste. Skifahrer - ich bin keiner! - wissen, was das heißt. Allerdings war da jetzt nichts schwarz: Braun, soweit das Auge reicht im dichter werdenden Nebel. Bis es wirklich auf diesen Hang geht, versuche ich auf dem steil nach oben führenden Schotterweg immer wieder kurz zu laufen. Die Versuche sind dann aber rasch beendet, als die Absperrung auf den Berghang verweist. Bitte, wie soll das „gehen“? Schlammpiste, alles steht unter Wasser. Aber egal, hinein in den Dreck. Wie Schmierseife. Rutsch- und Gatschpartie. Schritt für Schritt. Die Markierungen sind jetzt alle halben Kilometer. Dazwischen immer eine Unendlichkeit, wie mir scheint. Und man sieht sie nicht, erst dann, wenn man unmittelbar davorsteht. Schritt für Schritt. 40, 40,5, nochmals Verpflegung, irgendwer taucht aus dem Nebel auf und bietet eine wärmende Alufolie an. Nein! 41, 41,5, 42, ich sehe noch immer kein Ziel, höre nur den Sprecher. Dann endlich, gefühlte 5 Meter davor, sehe ich den Zielbogen. Nochmals ein paar Laufschritte. Durch! Wunderbar. Sonja und Bastian erwarten mich. (Die hatten es leichter: Gondel.) Ich bin total happy. Was für ein Spaß. Nun aber schnell: Kleiderwechsel. Shirt über Shirt, Pullover, Jacke und noch eine Jacke, Haube, Handschuhe. Suppe, Tee. Ich bin ausgepowert. Aber …

Mit der Gondel geht es nach unten. Mir klappern die Zähne. Was soll’s. Ich habe es geschafft. Bei der Mittelstation angekommen, wundern wir uns, weil wir viele LäuferInnen sehen, die bei km 39 das Rennen beenden. Für mich unverständlich. Erst im Nachhinein klärt sich Alles auf: das Rennen wurde nach ca. 200 LäuferInnen wegen der Wetterverhältnisse abgebrochen. Ich hatte Glück. Es folgt Badewanne, hatten wir auf dem Zimmer, Abendessen (mit Bier!) und ins Bett. Müde, aber trotzdem nur schwer einschlafend. Immer wieder „laufen“ die letzten 3 km ab. Super war’s.