Im ZielMartin Kubele und ich haben uns trotz oder vielleicht auch wegen unseres enttäuschenden Abschneidens beim Trans Alpin Lauf im Vorjahr entschlossen, es wieder einmal zu wagen, ein gemeinsames Laufabenteuer zu starten.

24 Stunden Burgenland Extrem sollte es werden und wir wollten nichts dem Zufall überlassen.

Wir begannen schon im November fleißig zu trainieren. Highlight war unser Trainingslauf nach Dürnkrut. 65km mit voller Neusiedlerseeausrüstung, in passabler Zeit und vor allem mit noch vorhandenen Reserven. Selbstvertrauen war somit reichlich getankt.

„Wir schaffen das!“, davon waren wir überzeugt. Genießen, Spaß haben und finishen war unser Motto! Zielzeit? Wurscht!

Bestens motiviert ob der extrem gut angesagten Wetterverhältnisse machten wir uns am Nachmittag des Vortages auf den Weg zu unserem Abenteuer, nicht ohne vorher den „Kopp“  heimzusuchen. 2 Portionen Schnitzel für Martin, eine Portion Kaiserschmarrn für mich wurden eingepackt.

Das  Viererzimmer, das Wolfgang reserviert hatte, war in Startnähe und somit ideal gelegen. Dort angekommen, packten wir mal aus, holten die Startersackerl vom Gemeindeamt, wo wir gleich die ersten bekannten Gesichter begrüßen durften. Wir kehrten aber schnell wieder in unser Zimmer zurück, geplante Schlafenszeit war 20 Uhr, da wir ja spätestens um 3Uhr wieder aus den Federn kommen sollten.

MartinKubeleGina

Vorher jedoch war noch der Verzehr unseres mitgebrachten Abendessens angesagt. Martin packte sein Koppschnitzerl aus. Ein herzhafter Biss in die Panier, ein Schrei: „Scheisse, mein Zahn!“

Zahn ausgebrochen, das fing ja gut an! Martin sahs positiv: „Muss ich halt morgen weniger Gewicht mitschleppen!“ Der Rest des Abendessens verlief zwischenfallsfrei. Martin legte sich schon bald ins Bett, ich kramte noch ein Wenig herum. Plötzlich ein stechender Schmerz in der Fußsohle und der nächste Aufschrei. Bluttropfen auf dem Spannteppich und ein Glassplitter in meinem Fuß! Bravo! War aber schnell herausgezogen . Halb so schlimm!

Gegen 20 Uhr kamen dann auch Gina und Martin W., die sich mit uns das Zimmer teilten. Die Nachtruhe war bald gefunden, nachdem wir uns auf eine Weckzeit von 3 Uhr geeinigt hatten.

Nach einer mehr oder weniger schnarcharmen Nacht holte uns der Wecker um 3 Uhr aus unseren Träumen. Das Aufstehen war überraschend einfach, die Vorfreude auf einen aufregenden Tag groß!

Draußen war es wie erwartet klirrend kalt. Wie man weiß, gibt es ja kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Ausrüstung. Und wir waren definitiv gut ausgerüstet.

Jeder stärkte sich noch mit einem Frühstück aus Striezel, Lebkuchen, Schnitten oder Ähnlichem. Ich musste zuvor noch meinen Cocktail aus Wasser und übelst riechender und schmeckender vulkanischer Heilerde zu mir nehmen. Da mich in den letzten Jahren immer wieder heftige Magenschmerzen in den Sclussphasen meiner Ultras gequält hatten, hatte ich eine mehrwöchigen Heilerde-Trinkkur begonnen.

Schaut doch lecker aus, oder?

Wir packten uns warm ein und machten uns zeitnah zum Start auf! Beim Gemeindeamt angekommen waren schon fast alle Teilnehmer in der Startaufstellung versammelt. Wir drängten uns irgendwie in den Haufen der ganzen Wahnsinnigen, die es da alle vorzogen sich bei Eiseskälte auf einen Marsch oder Lauf von 120km zu machen, anstatt noch im kuscheligen Bett zu liegen. Jeder wie er will!

Der Startschuss ließ nicht lange auf sich warten. Wir befanden uns mitten im Gedränge der vorwärtsstrebenden Masse. Martin und ich versuchten, dem Geschiebe durch Ausweichen auf den Gehsteig zu entkommen, was uns auch ganz gut gelang. Am Ortsende von Oggau war dann schon ungehindertes Laufen möglich. Es ging den Radweg entlang Richtung Ungarn. Auf der Strecke war gute Stimmung. Gott sei Dank, bald spürte ich auch die Kälte nicht mehr. Ich war offenbar richtig angezogen.

Nach wenigen Kilometern wollte Martin einen beherzten Schluck Wasser aus seinem Trinkbeutel nehmen. Fehlanzeige, eingefroren. Dafür hatte er  eine „angenehme“ Rückenkühlung durch den Eisblock in seinem Rucksack! Meine zwei Thermosflaschen mit warmem Inhalt mussten also für uns beide reichen. Das taten sie auch! Auch deshalb, da es genügend Labestellen gab, an denen wir immer rechtzeitig nachtanken konnten.

Bald war die ungarische Grenze erreicht.

Der Himmel war sternenklar. Es war kalt. Ich zog mir meine flauschige Sturmhaube über, die mich wieder angenehm wärmte. Am Horizont kündigte sich schon der baldige Sonnenaufgang an. Kurzfristig wurde es etwas kälter, ich genoss aber die Morgendämmerungsstimmung. Plötzlich ein Schrei neben mir und Martin spuckte den Rest seines Zahnes auf ungarischen Boden. Was solls! Wir laufen weiter.

Endlich Sonnenaufgang. Herrlich, es wurde wieder hell und vor allem immer wärmer!

Wir schlossen auf eine kleine Gruppe von Läufern auf, mit denen wir uns eine ganze Weile angeregt unterhielten und merkten plötzlich, dass wir schon kurz vor Apetlon waren. Wir hofften, dass wir dort Tanja treffen würden, die sich bereit erklärt hatte dort als Betreuerin für Gina und Martin zu fungieren. Wir planten, ihr Martins eingefrorene Trinkblase und unsere Reservejacken zu übergeben um so ein wenig Gewicht aus unseren Rucksäcken loszuwerden. Außerdem war Martins Rücken jetzt schon ausreichend gekühlt!

Apetlon war bald erreicht. Im Gasthaus Weinzettel gabs Cola und Würstel. Wir stärkten uns kurz und Gott sei Dank sahen wir Tanja hereinkommen, der wir unseren unnötigen Ballast übergeben durften. Sie bot uns noch an, uns in Neusiedl nochmals zu unterstützen. Wir füllten unsere Thermosflaschen an, verabschiedeten uns von Tanja und weiter gings gut erholt und gestärkt, überraschend zügig über Illmitz und durch die Hölle nach Podersdorf. Unterwegs trafen wir Thomas Tiefenböck mit dem Herrn „Ultrafritz“, denen es so wie uns recht gut zu gehen schien. Ein bisschen herumgescherzt und schon waren sie wieder weg!

Ach ja, hätt ich fast vergessen. Bereits in Ungarn, kurz vor dem Nationalpark, lief uns der Joschi Stöger über den Weg. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, da er schon vor längerer Zeit verlautet hatte:“Nie wieder Ultra!“ Aber das kennen wir ja alle!

Irgendwo vor Podersdorf muss es gewesen sein, wo sich bei mir im linken kleinen Zeh ein komisches Gefühl eingestellt hatte. Eine Blase? Das kenn ich bei mir eigentlich garnicht. Allerdings hatt ich nicht mein gewohntes Schuhwerk zur Verfügung, da ich mich entschlossen hatte, mit Goretex Schuhen zu laufen, die nur auf kürzeren Strecken erprobt hatte. Ich lief mit dem leichten Zwicken im Zeh weiter, das dann allmählich stärker und unangenehmer wurde. Dann plötzlich ein übler  Schmerz. Jedes Aufsetzen des Fußes tat weh und ich dachte schon, dass ich das nicht lange aushalten würde. Meine Stimmung kippte etwas. Die restlichen ca. 40km gehen, das hatte ich nicht vor. Also Augen zu und langsam Laufen. Jeder Schritt tat höllisch weh. Martin passte sich an mein langsames Lauftempo an und musste ständig mein Gejammer ertragen. So quälte ich mich ca. 45 Minuten dahin und so wies gekommen ist, wars auch wieder schlagartig weg. „Jetzt ist der Zeh abgestorben. Aber wenigstens kann ich wieder schmerzfrei laufen“, dachte ich mir.

Podersdorf war unser nächstes Etappenziel Der Weg dorthin zog sich etwas, das Seecafe, wo es eine Labestelle gab, hatten wir  irgendwie übersehen. Uns dürstete nach Cola. So liefen wir hinunter zum See und kehrten in eine Bar ein, die wir  kurz vor 14 Uhr verließen. Kurze Hochrechnung: Wenn es so weitergeht, haben wir eine Endzeit von 15 Stunden. Das schlugen wir uns aber gleich aus dem Kopf. Durchkommen war unser Motto. Unsere Traumzeit wäre zwischen 16 und 17 Stunden gewesen. Alles natürlich abhängig davon, ob mein Magen durchhält. Und dem ging es zu diesem Zeitpunkt ausgezeichnet.

Nächstes Etappenziel war Neusiedl am See! Dort hatten wir bei einem Freund von Martin frisches Gewand deponiert. Wir freuten uns schon sehr auf eine kurze Pause, frisches Gewand und Cola!

Der Weg von Podersdorf nach Neusiedl war leider die Hölle für Martin. Er bekam ebenfalls Blasen, allerdings auf den Fußsohlen. Ihm erging es nicht besser als mir zuvor. Im Gegenteil. Immer wieder trat er auf Steine, was ärgstens schmerzte. Er stellte fest, laufen ist besser als gehen. Wir überlegten, ob wir in Neusiedl unsere Blasen behandeln sollten, beschlossen aber, nichts zu unternehmen, da meine Schmerzen wie vom Erdboden verschwunden waren und sich Martins Schmerzen ebenfalls verbesserten. Neusiedl war gegen 15 Uhr endlich erreicht.

Wir kehrten in das Haus bei Martins Freund Werner ein, der uns mit Cola verwöhnte. Trockenes, frisches Gewand angezogen und wir machten uns um 15 Uhr 45 wieder auf die Reise. Kurze Hochrechnung, wir waren immer noch auf Endzeit 15 Stunden  unterwegs, aber das schlugen wir uns gleich wieder aus dem Kopf.

Nächste Station Jois. Den Umweg zum Hillinger sparten wir uns. Nach Jois ging die Sonne unter, es wurde Kühler.

Brav kämpften wir uns über Winden und Breitenbrunn nach Purbach, wo wir eine längere geplante Geh-, Esspause machten. Zwischen Purbach und Donnerskirchen mussten wir immer wieder kurze Gehpausen einlegen. Martins Blasen meldeten sich wieder. Aber er kämpfte tapfer weiter. Dann ein Hinweisschild am Radweg. Oggau 12 Kilometer. Quasi nix. Aber diese 12 Kilometer sollten sich noch ziehen. Überraschend für uns ging es noch in die Weinberge. Wir wechselten Laufen und Gehen ab. Der steinige Untergrund war allerdings nicht so ganz optimal für Martins Fußsohlen. Dann endlich die Lichter von Oggau. Noch geschätzte 3km. Martin beschleunigte das Tempo, doch ich hielt ihn zurück. Schließlich wollte ich nicht riskieren, dass sich mein Magen doch noch  negativ äußert! Hatte ich doch die Vision eines knusprigen Schnitzels mit einem kühlen Bierchen vor mir, und die wollte ich mir nicht zerstören lassen, war diese doch eine sehr ungewohnte am Ende eines Ultras für mich. Normalerweise ist Essen und Trinken das Letzte an das ich zu diesem Zeitpunkt bei einem Ultra denke.

In Oggau angekommen, sahen wir vor uns einen Läufer, der geradeaus weiter lief anstatt rechts abzubiegen. Martin pfiff ihn zurück, ich glaube, er war uns sehr dankbar.

Einmal noch ums Eck und das Ziel war da. Und die Endzeit: 15 Stunden 05 Minuten. Wir waren mehr als zufrieden. Noch schnell ein Zielfoto und zurück aufs Zimmer.

Schnell geduscht und ab ins Restaurant. Ich konnte es fast nicht glauben. Mein Magen hat echt durchgehalten und ich konnte wirklich meine Vision wahr machen. Genial.

Als wir kurz nach 21Uhr30 Martins Posting lasen, dass er und Gina auch schon im Ziel waren, konnten wir es kaum glauben. Ginas erster Ultra über so eine lange Strecke und nach 17 Stunden gefinisht. Hut ab!

Am nächsten Morgen gabs noch ein gemütliches Frühstück und dann machten wir uns auf den Heimweg!

Mein Fazit: Es war mir eine Ehre das Ding gemeinsam mit Martin durchziehen zu dürfen. Und natürlich mit meinem Maskottchen Schnuffi, der uns schon beim Transalpin begleitet hat.

Wir waren mit unserer Leistung mehr als zufrieden. So kann eine Laufsaison beginnen.

Die Veranstaltung selbst kann ich absolut weiter empfehlen .Da der Wettergott mitgespielt hatte, war es größtenteils ein Genuss. Danke den Veranstaltern und allen Beteiligten für diesen unvergesslichen Tag!

Danke vor allem auch jenen, die uns während des gesamten Laufes die Daumen drückten und mitgefiebert haben. Whatsapp und Facebook machten es möglich.