3:15 Uhr! Alles, was läuten kann, läutet. Nur ja nicht verschlafen. Um diese Zeit bin ich in jedem Fall noch nie aufgestanden für einen Laufwettbewerb. Taxi um 4:15 Uhr. Verwunderter Blick. Mozart100? Noch nie gehört.

Zunächst holen wir Martin ab, dann geht es Richtung Start. Allerdings, der Taxifahrer fährt bei der Staatsbrücke Richtung Mirabellplatz. Wahrscheinlich ist die Fahrstrecke zum Mozartplatz schlecht markiert. Aber Entschuldigung angenommen, hat er doch schon mal beim Rennen rund um den Fuschlsee teilgenommen: http://www.fuschlseelauf.com/

Am Mozartplatz noch verhaltenes Treiben. Fast noch mehr Nachtschwärmer auf dem Weg nach Hause. Ein paar MitläuferInnen kenne ich, Martin, wie es scheint, fast alle. Läuferischer Small Talk.

5:00 Uhr Start. Mein erster 100er und der gleich mit diesen Höhenmetern. Ich bin gespannt. Die ersten Kilometer sind zum Einlaufen. Nur ja nicht zu schnell angehen. Alle 100 m, so kommt es mir zumindest vor, der Blick auf die Pulsuhr. Ist der Puls zu hoch? Bin ich zu schnell? Jemand scheppert sich nach wenigen Kilometern gemütlich von hinten an mich ran. Martin. Es scheint, er betreibt psychologische Kriegsführung: wahrscheinlich führt er in seinem Laufrucksack extra eine Dose mit kleinen Steinchen als Inhalt mit, die bei jedem Schritt vor sich hinlärmen. Super. Gott sei Dank muss er gleich zum ersten Mal ins Gebüsch. Meine Chance.

Statt Glasenbachklamm, gesperrt wegen der Vermurungen, geht es irgendwie daneben hinauf. Höhenmeter bleiben aber Höhenmeter. Jetzt beschäftigt mich nicht mehr primär die Frage nach dem Tempo, sondern Laufen oder Gehen? Ich habe keine Ahnung. Könnte das locker rauflaufen, aber wir sind erst bei Kilometer 7. Also noch 93 vor mir. Halte mich lieber an meinen Puls, solange er unter 145 bleibt, laufe ich, geht er darüber, wird gegangen. „Streber“, ein anderer Martin versucht mich aufzuziehen. Wir werden uns auf der Strecke noch mehrmals begegnen.

Die Verpflegungsstationen, ca. alle 5 km, sind sehr gut bestückt und ich nutze jede einzelne ausgiebigst. Lasse mir immer sehr viel Zeit und lasse mich auch nicht irritieren, wenn mich einige bei den Stationen überholen. Ich will durchkommen. Das ist mein oberstes Ziel am heutigen Tag.

Die nächsten Minuten und Stunden vergehen mit ständigem Auf- (u.a. der wunderbare Abschnitt „The Climb“) und Ablaufen. Bald ist Koppl erreicht und wir steuern auf Hof zu. Beides Orte, ich bin in der Nähe geboren und aufgewachsen, die ich gut zu kennen glaubte. Aber sich diesen nicht über Hauptstraßen, sondern kleinen Wegen zu nähern, verschafft ganz neue Perspektiven. Ich erkenne die Orte beinahe nicht wieder.

Irgendwann sehe ich dann zum ersten Mal den Fuschlsee in der Ferne, ein wenig unten liegend. Die ärgsten Steigungen der 1. Runde sind geschafft. Durch den einen und anderen Wald und über Wiesen geht es runter zur Wolfgangsee Bundesstraße. Unmittelbar nach deren Querung gabelt sich die Laufstrecke in 1. und 2. Runde. Für mich heißt es jetzt zunächst mal retour nach Salzburg. Nur knapp entgehe ich wenig später einem Zusammenstoß mit einem 4-rädrigen Ungetüm, das irgendwie eigentlich auf einen Golfplatz gehört. Dem Fahrer bin ich völlig egal, er braust einfach wenige cm an mir vorbei. Idiot. Aber nur nicht zu lange damit beschäftigen.

Jetzt geht es den Salzburg-Ring entlang, dort herrscht reger Betrieb, jede Menge Motorräder kreisen. Vor Jahrzehnten bin auch ich hier ein paar Mal gefahren. Wahnsinn, wie lange ist das her? Hier habe ich noch Giacomo Agostini angefeuert. Erinnerungen kommen hoch, die mich fast bis Guggenthal begleiten. Ab da geht es fast nur noch bergab Richtung Stadt Salzburg. Ich habe nach wie vor lockere Beine, das Bergab im Gelände liegt mir, es geht – für meine Verhältnisse – flott dahin. Von der Radauerkurve bis runter Eichenstraße ist dabei vollste Konzentration gefragt, sehr steil, teilweise mit Stufen. Die Strecke bis zum Mozartplatz ist dann nur noch ein Klacks. 45 km sind absolviert, deutlich unter 5 Stunden. Bin ich zu schnell? Hoffentlich büße ich das nicht. Sonja hat mich bereits erwartet, versorgt mich mit kleinen Trinkflaschen, Gels und Sportkuchen. Ich lasse mir wieder sehr viel Zeit, bin sehr entspannt. Freue mich auf die 2. Runde. Wieder überholen mich einige Läufer an der Verpflegungsstelle. Unter Ihnen auch Ernst (http://www.laufwunder.at/2013/04/22/mozart-100/. Mir ist es egal.

Auf zur zweiten Runde. Und gleich Überraschung pur: nach 4 km, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, beginnt mir schlecht zu werden. Läufer, die ich entlang der Salzach fast wieder erreicht habe, scheinen mir nun beinahe davon zu sprinten. Ich muss deutlich langsamer werden. In dieser Verfassung geht es zum zweiten Mal die Parallelstrecke zur Glasenbachklamm hinauf. Ich gehe nun alles. Keine Spur mehr von „Streber“. Es wird nicht besser, zusätzlich macht mir jetzt auch noch der Kreislauf zu schaffen. Ich bin jetzt echt ang’fressen. Das darf und kann nicht sein. Noch keine 55 km und das war‘s jetzt? Am Ende der Steigung kommt endlich die herbeigesehnte Verpflegungsstation. Was tun? Ich entschließe mich zu einer Radikalmaßnahme, hat schon einmal bei einem früheren Lauf geholfen: Cola mit Salzgebäck und fünf Minuten Sitzpause. Und es hilft. Nach den fünf Minuten sind Magen und Kreislauf wieder soweit ok, dass ich weiterlaufen kann. Und es wird Schritt für Schritt besser.

Ab Kilometer 60 habe ich den Mozart100 dann im Griff und nicht er mich. Nichts kann mich danach mehr aus der Ruhe bringen, ich gehe zwar nun fast alle Steigungen, kann aber immer wieder auf den Geraden und Bergabpassagen ein relativ flottes Tempo laufen. Und natürlich bei jeder Verpflegungsstation: Cola mit Brezeln und Unmengen von leider immer wärmer werdenden Wasser.

Neuland in der 2. Runde ist die Strecke rund um den Fuschlsee, eine Berg- und Talbahn. Direkt in Fuschl erreiche ich – zwischenzeitlich mitten in einen Triathlon geratend - eine große Verpflegungsstation. Dort erwartet mich neben Sonja sogar noch Andrea mit Sohn Johannes. Für ihn als noch nicht 3-jährigen ist das zwar letztendlich ein wenig viel, ist ja nur der Großonkel aus Wien, mich aber baut das zusätzlich auf, dass es selbst auf diesem entlegenen Teil der Strecke Anfeuerungsrufe für mich gibt. Der Ort Fuschl bedeutet auch, es geht ab sofort retour zum Mozartplatz. Ich bin mir nun sicher, ich werde es schaffen. Motiviert verlasse ich den Ort und mache mich auf den Weg entlang des Fuschlsees nach Hof.

Vor Hof: Die Wand oder eigentlich: „The Wall“! Hallo? Wo ist hier ein Handlauf, an dem man sich hochziehen kann? Letztendlich komme ich aber auch da rauf und das Gröbste scheint nun geschafft zu sein. Den Rest der Strecke bin ich ja schon mal gelaufen. Runter wieder zum Salzburgring, rüber nach Koppl und Guggenthal. Es macht echt Spaß jetzt. Hätte ich nie für möglich gehalten. Die letzten 10 km geht es wieder zügig nach unten. Ich habe noch jede Menge Körner, die noch unbedingt eingesetzt werden wollen. Sakra di! Noch einmal durch die Linzergasse, leider Baustelle und voller Menschen (= Slalomstangen), sodass hier nochmals vollste Konzentration gefragt ist. Rüber über die Salzach und rein ins Ziel. 11:23! Die Zeit habe ich nicht für möglich gehalten. Schade nur, dass man dann im Ziel steht wie bestellt und nicht abgeholt. Keiner da, der einem eine Medaille umhängt oder sonst irgendwie gratuliert. Ok, 50 min. später gibt es die Medaille und ein Überraschungsgeschenk (Foto vom Zieleinlauf), aber da ist es nur noch ein formaler Akt.

 Dass Sonja, meine Schwester und eine Freundin im Ziel standen und sich mit mir gemeinsam freuten, wog das natürlich mehr als auf. Es war ein unglaublicher Tag für mich. Jetzt bin ich wirklich ein Ultraläufer.

Martin kam auf der Strecke zusehends in Verzug, ihm machte ab Fuschl der Magen zu schaffen (War es der dortige Anblick der Schmalzbrote?), letztendlich konnte er auch die Rückwärtsbewegung dessen Inhalts nicht verhindern, womit es dann verdammt schwer für ihn wurde. Doch wer ihn kennt – und das sind nicht wenige, weiß es, er lässt sich davon nicht abhalten, ins Ziel zu kommen. So war es dann auch, ein wenig die Haare raufend im Ziel, war er sich letztendlich sicher: nächstes Jahr wieder!

 

Bilder zum Lauf:

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