Ich hätte es ja wissen müssen!

  1. Wenn unsere ultrarasante Tante Gina das Angebot kriegt, im Nationalteam zur WM zu fahren, zögert sie keine Sekunde,
  2. will sie dann sicher, dass ich dabei bin zur körperlichen/kulinarischen und mentalen Unterstützung (dabei braucht sie beides nicht wirklich, so stark wie sie ist),
  3. hatte ich ja schon ein paar mal gemeinschaftlich mitbetreut und einmal (Gina und Erwin) beim 24h-Lauf in Irdning intensiv solo. Aber wie nach einem Lauf, wo du dir denkst: "nie wieder", ist einen Tag später alles verdrängt (wollte eigentlich schreiben: vergessen). Außerdem war´s eh einfach gut mal den anderen beim Im-Kreis-Laufen zuzuschauen und sich seinen Teil zu denken ;-)

 

Jedenfalls hab ich natürlich, im März glaub ich, spontan versprochen, als Betreuer mitzufahren. Im Vorfeld war schon zu beobachten, wie ernst es unser Ultralaufreferent Georg und Cheftrainer/-betreuer "Head of Delegation" Klemens meinten, es wurden drei Vorbereitungswochenenden angesetzt, und die ganz Eifrigen wie Gina waren auch immer dabei. Beim letzten derartigen Treffen (ich konnte berufsbedingt nicht dabeisein) wurden dann auch die offiziellen Betreuer und die Zuordnung ihrer Schützlinge - Athleten und Athletinnen heißt das natürlich im Fachsprech - bestimmt.

Ich würde also Gina und Dominik betreuen dürfen. Gina brauch ich ja hier nicht vorzustellen, und Dominik kannte ich als immer freundlich winkenden Top 6h-Läufer, der mich ständig überrundet mit wechselseitiger Motivationsarbeit, der erst einen 24h-Lauf absolviert hatte, allerdings gleich über 200km. Es gab auch Trainings- und Wettkampfkarenzempfehlungen "keine Wettkämpfe über 100km ab Juli", die nicht von allen, aber von meinen beiden Athleten (ich hör ab jetzt mit dem Gendern auf) - im Gegensatz zu manch anderen, aber TAR ist ja auch aufgeteilt auf 8 Tage ;-) ziemlich befolgt wurden, ich konnte also davon ausgehen, dass beide nicht nur motiviert, sondern auch gut vorbereitet waren, was meiner Bereitschaft, voll und ganz für die beiden dazusein, sehr gut tat.

Am Donnerstag war Anreise (alles schon organisiert und gebucht von Georg und Dorit) gemeinsam mit einem Großteil der Truppe über München und Toulouse, mit allerlei Verspätungen war das auch gut so, weil am Freitag wäre das sehr stressig geworden. Die perfekte Organisation von Seiten der Veranstalter zeigte sich bereits am Flughafen in Toulouse, wo ein Infodesk mit freundlichen Leuten  war und die Ankommenden beim Transfer unterstützte. Klemens besorgte die Startunterlagen und verteilte sie direkt beim Hotel vorm gemeinsamen Abendessen mit dem Rest der Teilnehmer. Am Freitag dann noch in Ruhe Frühstück, Streckenbesichtigung und Stadtbummel, bevor am späten Nachmittag die Eröffnungszeremonie stattfand: schon beeindruckend!

Samstag morgen war dann Schluß mit lustig. Frühstück um 6h für die ganz Nervösen und Klemens, Alexander und mich, weil wir vorfahren wollten, um das Betreuerzelt vorzubereiten. Von Seiten der Veranstalter gab es Zelte, Strom zum Laden, Heißwasser, Mikrowelle.  Wir waren nicht lang allein, alle zog es trotz (noch) kühler Temperaturen in die Arena. Tolle Stimmung wieder mit so vielen Läufern aus der ganzen Welt. Die Zelte alphabetisch gereiht, wir also zwischen Australien und Weißrussland (Belarus), gleich daneben dann Brasilien. Auch hier war alles schon von Klemens akribisch geplant, bis zur Aufteilung des begrenzten Platzes am Versorgungstisch:

Hier muss ich kurz meine Mitbetreuer/innen mit "Ihren" Athleten vorstellen:

Klemens, selbst Spitzenläufer mit etlichen Rekorden, Chefbetreuer, Teamtrainer, Physiotherapeut. Hatte die größte Verantwortung, versorgte verpflegerisch Angelika und Günter K, psychologisch und mit Eisspray, Massagen usw. fast alle, behielt trotzdem stets den Überblick und ein frohes Gemüt. Das Einzige was ihm am Schluss Sorge bereitete, war die Entscheidung ob es sinnvoll oder kontraproduktiv wäre, Angelika wegen der 200km-Marke gut zuzureden. Sie hat es jedenfalls geschafft! Günter, der ja in 24h und 48h Bewerben schon mehrere Bestleistungen erbracht hat, startete ambitioniert, musste dann aber wegen zunehmender Probleme das Rennen beenden.

Dorit, nicht nur als Läuferin sondern auch als Betreuerin von Herbert, einem der besten Langstreckenläufer des Landes, mit großer Erfahrung, gab diese bereitwillig weiter "schont euch selber am Anfang", berechnete Powernaps in der Nacht, immer hilfsbereit und hat den Teamgeist der Betreuergruppe geformt. Ihre Athletin Mary war vom Start weg konstant gut unterwegs und lief Richtung einer neuen persönlichen Bestzeit, bis sie dann ca. nach 20-21 Stunden wegen Schmerzen aufhörem musste. Herbert absolvierte einen absoluten Traumlauf, sehr fokussiert und trotzdem positiv kommunikativ mit einem Ergebnis das sich sehen lassen kann, siehe unten.

Petra, ebenfalls als Läuferin bereits erfolgreich in Erscheinung getreten und dabei von Georg betreut, wechselte die Rollen wieder einmal und wirkte still und bescheiden war dabei extrem effizient bei der Versorgung von Georg und auch Megy, die beide bis zum Schluß durchliefen und dafür auch gute Ergebnisse erzielten. Megy machte ein paar kurzen Nickerchen in der Nacht und wurde ausgetrickst, indem ich sie nach 5 Minuten weckte und erklärte, 10 Minuten seien vorbei, worauf sie jedesmal brav aufstand und weitermachte - hiermit verraten, aber du wirst es beim nächsten Mal vergessen haben, liebe Megy ;-)

 

 

 

 

Zur Auflockerung ein eindrucksvoller Anblick: Georg und Andreas in den späten Nachtstunden, echte Werbung fürs Ultralaufen:

Alexander ist langjähriger Betreuer von Andreas bei 24h, 48h, Spartathlon,... also auch mega Erfahrung. Bei ihm war die Routine am stärksten zu merken. Präzise Handlungen, Pausen wann immer möglich ohne das Wohl seiner Schützlinge aus dem Fokus zu verlieren und immer die Ruhe weg. Andreas hatte die gesamte zweite Hälfte mit Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu kämpfen und blieb, obwohl man ihm das wirklich ansah, trotzdem bis zum Schluss auf der Strecke, auch wenn das Eregbnis sicher deutlich unter seinen Erwartungen blieb. Ich wünsch ihm einen erfolgreicheren Tag am 9.11. beim 12h-Weltrekordversuch in voller Feuerwehrausrüstung auf dem Laufband! Alexanders zweite Athletin war Ulrike, die österreichische 24h-Rekordhalterin. Für sie war zwar das Rennen fast schon eine Routinesache, aber nachdem sie Magendarmprobleme bekam, musste sie leider aufhören.

 

 Christoph kannte ich noch nicht, er war schon Betreuer von Sabrina, unserer österreichischen Meisterin im 24h-Lauf 2018, gewesen, und betreute sie und Günter D, welcher leider auch vorzeitig das Rennen beenden musste, obwohl er es nachts mit mehreren Pausen und neuen Anläufen wieder versuchte. Sabrina, die heuer verletzungsbedingt keine gute Saison hatte, lief trotzdem und mit unglaublicher Willensstärke bis zum Ende durch. Mit Christoph war ich sofort auf einer Wellenlänge bezüglich leicht zynisch angehauchtem Schmäh und wir haben uns prima unterhalten, "Opfer" gab´s ja genug ;-)

 

 

 

"Meine" Schützlinge waren natürlich die Allerbesten: Dominik lief von Anfang an perfekt sein Plansoll und kam regelmässsig alle 9 Minuten vorbei bis kurz vorm Schluß wie ein Uhrwerk, dann eine Spur langsamer für eine Stunde und wieder schönes Tempo zuletzt und belohnte sich mit einer tollen Leistung bei seinem ersten WM-Auftritt. Gina anfangs wie immer zu schnell, bekam mehrmals die gelbe Karte und dann rot angedroht , bis sie sich eines Bessern besann und ein vernünftiges Tempo einschlug und nicht wie so viele einen Einbruch erlitt, was ihr ebenfalls eine neue persönliche Bestleistung einbrachte. Beide waren bis auf einen kurzen Boxenstopp für Reifen... äh Schuhwechsel ständig auf der Strecke. Ich war und bin noch immer stolz auf euch!

Weiß nicht, wie es den anderen Mitbetreuern gegangen ist, jedenfalls ich habe die Stimmung untereinander als extrem positiv erlebt, jederzeit wieder mit euch! Es gibt leider kein Gruppenfoto von uns, weil einfach keine Zeit dafür war, wir waren wirklich permanent im Einsatz ;-)

Aber nachdem ich auch die Kamera dabeihatte, gibt´s sehr viele Fotos hier.

Was ich auch noch positiv anmerken muss ist, dass alle die vorzeitig aufgehört haben, am Schluss wieder ins Stadion gekommen sind zum Anfeuern, obwohl sicher enttäuscht und müde, das ist Teamgeist!

Unsere Läufer und Läuferinnen vor dem Start:

 

und im Ziel:

   


Allgemein zum Rennverlauf ist mir aufgefallen, dass das gesamte Feld am Anfang ein irre hohes Tempo anschlug, was sich dann nach 5-6 Stunden bei doch offenbar etwas unerwarteter Sonneneinstrahlung in zahlreichen Einbrüchen und Magenproblemen, sogar kollabierten Teilnehmern äusserte, wie bei einem Städtemarathon, wo überambitionierte Hobbyläufer am Werk sind, dabei war das die Weltelite... Die Bandbreite der Leistungen war überhaupt viel größer als gewohnt mit durchaus langsamen Läufern und vielen wirklich schnellen (5 Männer und 1 Frau erreichten über 270km). Ein Foto noch nach dem Rennen von der Siegerin, die in Albi einen neuen Weltrekord bei den Frauen aufstellte mit unglaublichen 270km und davor einen in mancher Hinsicht sehr bemerkenswerten Lauf hinlegte:

 

 

Unsere Ergebnisse:

 

 

Es folgen noch, weil ich das so gern mag, noch ein paar Zahlen aus der DUV Datenbank

Ergebnisse der Autrichiens: 

Gesamt- Rang↓ Leistung↓ Nachname, Vorname ↓ Jg.↓ M/W↓ Rang M/W↓ AK↓ AK Rang↓ Ø Geschw. km/h alters- korrigierte Leistung↓
65 223.831 km   Glaser, Dominik 1983 M 48 M35  14 9.326 225.636 km
111 207.750 km   Hartl, Herbert 1958 M 75 M60  1 8.656 256.292 km
148 200.526 km   Huemer-Toff, Angelika 1970 W 50 W45  13 8.355 222.411 km
196 182.240 km   Mayer, Georg 1969 M 120 M50  13 7.593 203.370 km
203 179.101 km   Michalitz, Andreas 1968 M 126 M50  14 7.463 201.600 km
208 177.245 km   Kadi, Regina 1964 W 78 W55  1 7.385 214.947 km
234 166.642 km   Lederle, Sabrina 1991 W 94 W23  15 6.943 166.642 km
253 159.640 km   Traunwieser, Mary 1978 W 104 W40  33 6.652 164.594 km
271 151.218 km   Dekovska, Magdalena 1982 W 111 W35  21 6.301 152.854 km
318 107.455 km   Klammer, Günter 1965 M 188 M50  24 4.477 124.225 km
329 100.000 km   Dieplinger, Günter 1970 M 194 M45  45 4.167 110.632 km
334 98.509 km   Striednig, Ulrike 1961 W 139 W55  5 4.105 124.443 km

 

Und, weil´s ja doch eine Rolle spielt und einfach gewürdigt gehört, die Reihenfolge der

Ergebnisse alterskorrigiert:

Gesamt- Rang↓ Leistung↓ Nachname, Vorname ↓ Jg.↓ M/W↓ Rang M/W↓ AK↓ AK Rang↓ Ø Geschw. km/h alters- korrigierte Leistung↓
111 207.750 km   Hartl, Herbert 1958 M 75 M60  1 8.656 256.292 km
65 223.831 km   Glaser, Dominik 1983 M 48 M35  14 9.326 225.636 km
148 200.526 km   Huemer-Toff, Angelika 1970 W 50 W45  13 8.355 222.411 km
208 177.245 km   Kadi, Regina 1964 W 78 W55  1 7.385 214.947 km
196 182.240 km   Mayer, Georg 1969 M 120 M50  13 7.593 203.370 km
203 179.101 km   Michalitz, Andreas 1968 M 126 M50  14 7.463 201.600 km
234 166.642 km   Lederle, Sabrina 1991 W 94 W23  15 6.943 166.642 km
253 159.640 km   Traunwieser, Mary 1978 W 104 W40  33 6.652 164.594 km
271 151.218 km   Dekovska, Magdalena 1982 W 111 W35  21 6.301 152.854 km
334 98.509 km   Striednig, Ulrike 1961 W 139 W55  5 4.105 124.443 km
318 107.455 km   Klammer, Günter 1965 M 188 M50  24 4.477 124.225 km
329 100.000 km   Dieplinger, Günter 1970 M 194 M45  45 4.167 110.632 km

 

Fazit:

Betreuen ist anders, aber nicht weniger anstrengend als Laufen - ich könnte mich also auch gleich ganz drauf verlegen ;-)

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