„Also ein bisschen ehrlicher solltet ihr schon sein“, keuchte ich am Ende der Laufstunde Erwin Ostry an. „Das war ja kein Langsamlauftreff, sondern ein Schnelllauftreff…“ Ich lebe seit 14 Jahren in Wien, und auch wenn ich kein echter bin – motzen und sudern und jammern habe ich in der Zwischenzeit gelernt.
Erwin grinste mich an: „Siehst mich schwitzen?! Ist ja deine Sache, wenn du dich an Regina anhängen musst.“
Regina Kadi ist eine der vielen „unsung heros“ des Ultra-Lauf-Teams (ULT) Heustadlwasser. Trainiert angeblich nicht so viel wie andere, dafür aber sehr zielgerichtet und konsequent. Ihre Bemühungen werden belohnt, bei jenen Läufen, an denen sie teilnimmt, ist ein Stockerlplatz, allgemeine Klasse und/oder Altersklasse, in der Regel vergeben.
*
Doch zurück auf die Prater Hauptallee. Jeden Mittwochabend um 18.45 Uhr versammelt sich dort eine Gruppe von Lauffreunden, die dem ULT angehören oder auch nicht. Die Teilnahme an einem rund einstündigen Dauerlauf im Plaudertempo steht jedem/jeder offen, die Pace beträgt je nach Jahres- und Wettkampfzeit irgendetwas zwischen 6:15 und 6:45 min/km. Außer, man hängt sich an den „rasanten Tanten“ an, dann schnellt der Puls in die Höhe und die Geschwindigkeit steigt auf 11, 12 km/h. Außer, es geht nur über die Trails, dann kann es auch langsamer sein. Außer, es wollen sich zwei Eilige auf den letzten 1000 Metern vor dem Bier noch duellieren.
Die Sportler-Oase ist Ausgangs- und Zielort, und gerade an warmen Tagen dauert der Apres-Lauf fast gleich lang wie die sportliche Übung selbst. So soll es auch sein: Der Langsamlauftreff ist da, um die Muskeln nach einem Wettbewerb zu lockern oder um Tapering in Hinblick anstehender Aufgaben zu betreiben. Es wird geplaudert, gescherzt, sich bekannt gemacht, Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsame Pläne geschmiedet: Es ist der Vereinsabend des ULT, der Prater unser Klublokal.
Am Mittwoch, 19. Dezember, wird er zum hundertsten Mal ausgetragen. Vor 100 Wochen hatten Vereinsobmann Erwin Ostry, Martin Wustinger und noch einige andere die Idee, langsam laufen zu gehen. So entwickeln sich Traditionen, die von den Leuten der ersten Stunde gepflegt werden und zu denen sich immer wieder andere, wie auch ich, gesellen.
*
„Ich kann nicht mehr laufen, ich muss gehen“, sagte ich Regina am 10. Oktober 2018. Es war der Mittwoch nach der Tour de Tirol, in meinem Kopf fühlte ich mich frisch und wohl, doch mein Körper war leer. So spazierte sie mit mir die Prater Hauptallee über einen Kilometer bis zu unserem Endpunkt hinunter. Regina kann schnell sein, muss es aber nicht immer. Auch das zeichnet sie aus. Und ich freue mich, mit ihr und vielen anderen Läufern, die Bekannte waren und zu Freunden geworden sind, den 100. Geburtstag einer wunderschönen, kleinen (und unbekannten) Lauf-Realität in Wien zu feiern.
Hinweis: Gerade zum 100. Langsamlauftreff ist jeder Läufer und jede Läuferin herzlich eingeladen, sich uns anzuschließen. Wir werden eine Runde auf der Prater Hauptallee und das Heustadlwasser drehen und im Anschluss daran auf die nächsten 100 Lauftreffs anstoßen. Seid dabei!