Der Ultratrail (GGUT) wird in diesem Jahr – richtig, Corona – nicht ausgetragen, dennoch fanden und finden sich im Sommer viele Trailläufer zwischen Kaprun, Kals und Heiligenblut ein, um Teile der Strecke abzulaufen. Nicht nur Etappen, sondern die ganze Runde hatten Herbert Brunner, Erwin Ostry, Richard Rainer und Egon Theiner im Blick. Doch ein Ultra ist ohnehin schon lang, der GGUT mit seinen rund 110 Kilometern und 6500 Höhenmetern besonders herausfordernd obendrein. Für eine solche Unternehmung muss schon alles passen, besonders dann, wenn Laben, Streckenposten, Bergretter fehlen. Autonom und unsupported lauteten die Schlagworte. Good luck, also!

Donnerstag, 23. Juli

Herbert, Erwin und Egon starten am frühen Nachmittag Richtung Kals, deponieren dort die Dropbags in der Frühstückspension Bergheimat und fahren weiter nach Kaprun, wo nächtens auch „Hausherr“ Richard eintrifft. Genächtigt wird bei Barbara Rainer im „Haus Rainer“, sie ist wie schon bei anderen Gelegenheiten zuvor unsere gute Seele und lässt ihre Gäste ganz daheim fühlen.

Freitag, 24. Juli

Die vier wollen es ja richtig machen. Start also um 22 Uhr, an genau jenem Tag und zu genau jener Uhrzeit, an der auch der GGUT 2020 gestartet wäre. Also heißt es ausschlafen, dösen, zuwarten. Erwin will die Glocknerrunde durchziehen, auch, um den Frust der Österreichischen Meisterschaft in Bad Blumau, wo es nicht so recht geklappt hat, zu verarbeiten. Egon hat mit dem GGUT eine Rechnung aus dem Vorjahr offen und fürchtet, erneut zu scheitern. Für Herbert ist es der erste Ultra, er ist positiv gestimmt, weiß aber nicht so recht, was ihn mental und körperlich erwartet. Richard ist vielleicht der gelassenste von allen, aber kein Wunder, er kennt diese Berge wie seine Westentasche. Heimvorteil ist immer ein Vorteil.

Das Wetter ist bescheiden, als sich die vier auf den Weg machen, und es soll nicht besser werden. Regen begleitet sie von Kaprun Richtung Mooserboden, die engen, in Felswände gehauenen Trails rund um die Straßentunnels sind nass und glitschig. „Gottlob sieht man nicht, wo’s da runter geht“, meint Herbert einmal, und Richard antwortet: „Du fällst halt in den Stausee, aber vorher wohl einige Male auf ein paar Felsen.“ Und der Griff um das Stahlsein wird von allen ein wenig fester.

Am Mooserboden ist zwar die erste Steilstufe genommen, doch nun bekommen es die drei Läufer des ULT Heustadlwasser – Herbert überlegt noch – mit Wasser, Wasser, Wasser zu tun, von oben (klar!), und von unten, weil fortwährend durch Pfützen gelaufen oder durch Wildbäche geschritten werden muss.

 

Samstag, 25. Juli

Noch vor Sonnenaufgang stehen die vier am Kapruner Törl, das Schneefeld wurde unproblematisch überwunden, der Regen lässt sogar ein wenig nach, doch die Herausforderung wird nicht geringer. Er nennt sich Nebel, der das Quartett in den Samstagmorgen hinein begleitet, doch Richard erweist sich als kongenialer Anführer durch Nacht und Nebel.

Auch die Nässe bleibt ein Gegner, sie macht technische Downhills auf dem Weg zur Rudolfshütte noch schwieriger, als sie ohnehin schon sind. Ein Stock von Erwin muss daran glauben, doch gottlob geschieht nichts Schlimmeres. Klar ist: Die vom GGUT vorgegebene und auch selbstgesteckte Zeitvorgabe von 30 Stunden ist schon auf der Rudolfshütte in Gefahr. Da beträgt der Vorsprung auf die imaginäre Cut-Off-Zeit nicht mal mehr 30 Minuten.

Ab dem Abstieg vom Kapruner Törl treten bei Erwin leider wieder die bis dahin vergessenen Schmerzen im rechten Knie und Oberschenkel auf. Besonders bei steileren, anspruchsvollen Downhillpassagen verspürt er immer wieder Schmerzen und muss das Tempo stark herausnehmen. Positiv indes, dass er während der gesamten Aktivität essen und trinken kann, was er will, ohne an den fast schon üblichen Magenschmerzen zu leiden.

Über die Kalser Tauern geht es technisch schwierig hinab ins Dorfertal, vorbei am Dorfersee und dem Kalser Tauernhaus. Und auch wenn Erwin und Egon ein wenig aufs Tempo drücken, so ist klar, dass sich die nächste Zielzeit (11.30 Uhr) nicht ausgehen wird. Herbert trifft des Weges Berndt Trappmaier, der an diesem Wochenende ein paar Tage in Osttirol verbringt, um 13 Uhr laufen alle vier in der „Bergheimat“ ein. Erledigt und erschöpft.

Samstag, 25. Juli, Nachmittag

So war es nicht geplant, doch bei einem Ultra sind Entscheidungen situationselastisch: Richard und Herbert fühlen sich zu müde und angegriffen, um weiterzumachen und brechen ab. Ihre Rückreise nach Kaprun wird zur Odyssee. Die Busfahrt von Kals nach Mittersill dauert rund dreieinhalb Stunden – und weil das Duo nach dem Umsteigen im falschen Fahrzeug sitzt (richtige Busnummer, aber verkehrte Richtung), organisieren die Busfahrer auf der Bundesstraße einen ungeplanten Stopp. Richard und Herbert stürmen aus dem einen Bus über die Straße hinein in den anderen. Sowas müsste man sich in Wien vorstellen… Einmal in Mittersill, werden die zwei von Richards Bruder Bernie nach Kaprun gebracht.

In der Zwischenzeit bewältigen Erwin (nunmehr mit Richards Stöcken) und Egon die nächsten tausend Höhenmeter Richtung Lucknerhaus und Lucknerhütte, doch einmal dort kann Erwin nicht mehr. Es macht keinen Sinn, weiterzugehen, wieder ins Hochalpine, ja, es wäre fahrlässig und gefährlich. Übernachtungsmöglichkeit auf der Hütte gibt es, was zu Essen auch, also ist von 18 Uhr bis 8 Uhr am Tag darauf Pause angesagt.

Sonntag, 26. Juli

Während Herbert und Richard in Kaprun auf Wetterbesserung warten, bringen Egon und Erwin die Pfortscharte, den Wiener Höhenweg und die Obere Stockerscharte gut hinter sich. Im technischen Abstieg Richtung Glocknerhaus bleibt Erwin an einem Stein hängen und stürzt mit der linken Kniescheibe auf einen spitzen Stein. Ist sie nun gebrochen oder lediglich schwer geprellt? Keine Ahnung, sie schmerzt sehr, doch nach einer Verarztung geht es jedenfalls weiter.

In der Zwischenzeit brechen auch Herbert und Richard Richtung Maiskogel zum Glocknerblick auf, doch wegen Nebels ist der höchste Berg Österreichs nicht zu sehen. Es geht weiter auf die Drei-Wallner-Höhe und zur Gedenktafel der Hexenverbrennung. Sie sehen Edelweiße, blicken auf das Wiesbachhorn und den Hohen Tenn. Und ballern einen knackigen Downhill runter zum Klamm-See. Um der Überhitzung entgegenzusteuern springen die beiden in den kalten Gletschersee - als Kneippkur quasi. Um 16 Uhr sind sie nach einem schönen und ereignisreichen Tag in der Natur im Quartier zurück.

 

Zu diesem Zeitpunkt haben Egon und Erwin die letzte der vier großen Erhebungen auf der GGUT-Strecke auch schon hinter sich gebracht, doch die Untere Pfandlscharte war im Auf- wie im Abstieg fordernd. Snowchains halfen auf den nassen, pappigen Schneefeldern nicht wirklich. Teilweise wichen sie auf das nebenliegende Geröll aus - und da rutschte ein großer Stein weg, auf den Erwin gestiegen war. Er landete auf dem Rücken, was auch nicht ganz schmerzlos war.

Doch nun befindet sich das Duo im Tal, in Ferleiten, der Weg ist noch lang, um die 30 Kilometer und über 1000 Höhenmeter warten noch, doch die hochalpinen Herausforderungen sind gemeistert. Der Weg nach Fusch ist nicht so leicht zu finden, weil der Track wenig vertrauenswürdig ist und hin- und herspringt. Und als ob es nicht gereicht hätte, laufen die zwei im Mittelgebirge oberhalb von Kaprun in einen starken Regenguss. Ihr Glück im Unglück: Blitz und Donner halten einige Kilometer Abstand.

Um 22 Uhr, genau 48 Stunden nach dem Start, stehen Erwin und Egon wieder im (virtuellen) Start-Ziel-Gelände des Großglockner Ultra Trail, und wenige Minuten später im Haus Rainer unter den Duschen. Ein paar Bier braucht es noch, um die Erlebnisse sacken und die Mühen abklingen zu lassen.

Montag, 27. Juli

Die Nacht ist lang, der Schlaf tief, und die Rückfahrt nach Wien stressfrei.

 

Ein Fazit, vier Mal

Egon
Schade, dass wir nicht zu viert die Runde komplettiert haben, und wenn Herbert und Richard gewusst hätten, wie sich die Sache weiter entwickelt, wären sie sicher mitgekommen. Doch wie schon oben beschrieben, bei einem Ultra ergeben sich Entscheidungen im Moment. Insgesamt betrachtet ist es mir sehr gut gegangen, ich bin glücklich und stolz, den GGUT in zwei Tagen abgelaufen zu sein. Das gibt Zuversicht und Hoffnung für kommende Aufgaben.

Erwin
Der GGUT ist ein Laufbewerb, bei dem es absolut wichtig ist, topfit zu sein. Ich war es nicht. Außerdem merkte ich immer wieder, wie viel Erfahrung mir fehlt, um diesen Wettbewerb in der vorgegebenen Zeit von 30 Stunden bewältigen zu können. Ich weiß, woran ich arbeiten muss. Und wer weiß, vielleicht bin ich eines Tages so weit, den GGUT zu finishen.

Herbert
Sich erstmals den Herausforderungen einer derartigen Tour zu stellen, sowohl körperlich als auch logistisch (Verpflegung, Sicherheitsausrüstung etc.), war für mich sehr spannend und aufregend. Viele Puzzlesteine aus den Wochen der Vorbereitung haben sich dann am Tag X zusammengefügt, und mich grundsätzlich bereit für die Tour an den Start gehen lassen. Ich möchte mich an der Stelle bei allen bedanken, die mich dabei unterstützt haben; allen voran natürlich Egon, Erwin und Richard, aber auch Gerhard Schiemer und Vroni Limberger, welche mich immer wieder sportlich unterstützen und inspirieren. Auch wenn Richard und ich die Tour nicht fertig gelaufen sind, blicke ich mit einem breiten Grinsen auf das Wochenende zurück. Für mich steht fest, dass ich die Tour sicherlich nochmals in Angriff nehme, aber dann geplant auf zwei Tage aufgeteilt, um das landschaftliche Erlebnis auch voll inhalieren zu können. Die Gegend ist einfach zu schön, um diese (beim nächtlichen Lauf) ungesehen an einem vorbei streifen zu lassen.

Richard
Schee woars, hoart woars. Mit den Worten eines Einheimischen: "Kleckhescht und Sausticki". Übersetzt: "Steinhart und extrem steil". Ich hatte auf weite Strecken eine verdammt gute Zeit. Keep on running. Life is good.