Es gibt Momente im Leben, an die man immer zurückdenken wird, an die Geburt des Kindes, an die Hochzeit beispielsweise, oder, etwas banaler, an eine besondere kulturelle Aufführung, an den letzten Meisterschaftstriumph der Lieblings-Mannschaft, an herausragende Aktionen bei Olympischen Spielen.

Oder an die österreichischen 100-Kilometer-Staatsmeisterschaften im Naherholungsgebiet „Seeschlacht“ in Langenzersdorf.

Das war an jenem Freitag, 23. April 2021, zwar ein Minderheitenprogramm mit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, es ist nicht großartig in den Medien angekündigt worden, und dennoch war es ein Event, das sich in die Gedankengänge der Anwesenden einprägen wird.

Weil es wunderbar unaufgeregt organisiert worden war, und allein dies ist zu Corona-Zeiten schon ein Ausrufezeichen.
Weil es perfekt inszeniert worden war von den Veranstaltern, dem Österreichischen Leichtathletikverband und – um einen fremdsprachlichen Ausdruck zu gebrauchen – von anderen „Stakeholdern“ (Internationalität wird noch wichtig, doch davon später).
Und weil die Sportlerinnen und Sportler, vom Ersten bis zum Letzten, nicht nur tolle Leistungen, sondern auch eine tolle Show boten.

Wir vom ULT Heustadlwasser waren mit fünf Mann und einer Dame dabei – und was soll man sagen: Sie alle haben Großartiges geleistet!

Diana liegt gerade mal 30 Meter vor dir – häng dich an, häng dich an!“

Diana Dzaviza ist eine lettische Ausnahme-Ultraläuferin, gewann die nationale Meisterschaft über 100 km, oder die 24-Stunden-Challenge der Deutschen Ultramarathon Vereinigung und vieles mehr, seit diesem Jahr läuft sie für den ULT Heustadlwasser, und soviel ist klar: sich an ihr anhängen spielt sich nicht, egal, ob die ULT-Betreuer dies Erwin Ostry oder Josef Stöger scherzhaft zurufen. Dzaviza, betreut von Dominik Glaser zuerst und Gerhard Schiemer dann, besticht mit einem wunderschönen Laufstil, der so einfach und mühelos aussieht – man könnte meinen, dass sie dahinschwebt. Österreichische Meisterin kann sie nicht werden, das wird Karin Freitag, doch sie gewinnt in 8:11:13 Stunden die Damenwertung und scheint im Gesamtranking auf Platz vier auf. Sie verbessert ihre PB, den lettischen Rekord verfehlt sie um rund zehn Minuten. Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wir sind sicher, dass sich Diana diese Bestmarke in diesem Jahr noch schnappen wird! 

Sechs Medaillen für fünf Männer!

Er zieht seine Runden wie ein Uhrwerk, sein gelbes Trikot macht ihn sichtbar, ansonsten huscht Andreas Michalitz fast unbemerkt vorbei. Er ist die gewohnte Bank: Achter in der Gesamtwertung in 8:43:15 Stunden, Erster in der stark besetzten Klasse M50, 6:40 Minuten vor dem Zweiten, und Dritter in der Teamwertung! Zusammen mit Heinz Schaludek (Achter in der M50 mit 10:32:46) und Erwin Ostry (Neunter in der M50 in 10:38:00) sichern wir uns Platz drei in der Mannschaftswertung, hinter den Siegern des Laufwunder Steyr und der zweitplatzierten LG Wien (die nach 300 gewerteten Kilometern gerade mal 3:15 Minuten vor uns liegt!) Mit Gold und Silber belohnen sich Adalbert Darazs (11:57:49) und Josef Stöger (12:27:06) in der Klasse M70, und Stöger, mit dem das Rennen beendet wird, kann sich über ein Spalier freuen, das fast alle anderen für ihn bilden: Wenn von Ultralauf-Familie gesprochen wird, dann ist dies keine Worthülse, sondern gelebte Realität.

    

Lessons learned

Auch wenn am Ende um Platzierungen und Medaillen gelaufen wird, dann geht es bei einem Ultralauf dennoch um viel mehr: um Freud‘ und Leid, die sich während eines langen Tages immer wieder abwechseln, um Gespräche mit anderen Läuferinnen und Läufern, um die ach so wichtigen „lessons learned“.

Einige davon wären:

Aufgeben ist keine Option! Denn wenn es dir bei einem Ultra schlecht – oder gut – geht, mach dir keine Sorgen. Das geht vorbei. Erwin Ostry hat zur Hälfte der Strecke eine mögliche Endzeit um neun Stunden im Visier, dann treten muskuläre Probleme auf, und auch Magenbeschwerden. Er bekommt zuerst die einen, dann die anderen, in den Griff (danke an Gerhard Schiemer!), doch es ist ein weiter Weg bis ins Ziel. Ein paar Kilometer fragen sich Betreuerin und Betreuer (Anne Darcy, Egon Theiner), „ob das noch was wird“. Doch Erwin verbeißt sich in sein Tief und durch dieses durch. Die letzten 15, 20 Kilometer absolviert er lauftechnisch schön rund und eher unproblematisch (wenn nach 80, 90 km von „unproblematisch“ gesprochen werden kann).

Energie ist wichtig! Die Tische der Läuferinnen und Läufer sind zum Bersten voll, teilweise hat man den Eindruck, auf einer Fressmeile und nicht bei einem Ultralauf zu sein. Doch die Energie an der Verpflegungsstelle ist wertlos, wenn sie nicht dem Körper zugeführt wird. „Ich hab irgendwann Appetit auf nichts mehr gehabt“, sagt Heinz Schaludek später. Die augenzwinkernde Ironie sei gestattet: Wenn’s schmecken soll, besuche (ab Mitte Mai) ein Restaurant!

Behalte dein Lächeln! Unglaublich, wie souverän und mit welch positiver Attitude unsere M70-Teilnehmer Runde um Runde, 930 Meter nach 930 Meter, abspulen. Wie Adalbert Darazs gegen Ende hin noch forcieren kann, um unter 12 Stunden zu bleiben. Und mit welch strahlendem Gesicht Josef Stöger von der ersten bis zur letzten, also 108., Runde unterwegs ist. Wer Dopamin braucht: auf der „Seeschlacht“ müsste noch einiges davon herumliegen…

Und noch eine wichtige Erfahrung ist, dass uns ein Stratege, ein „Feldherr“ gefehlt hat, einer, der sich um den Wettbewerb insgesamt kümmert, der weiß, wie es gerade steht im Rennen um (Mannschafts-)-Medaillen. Rang zwei im Team war in Reichweite, doch – ganz ehrlich – das haben wir erst im Nachhinein realisiert. 195 Sekunden hätten Schaludek und Ostry vielleicht auch schneller sein können, oder vielleicht auch nicht, das werden wir nicht mehr erfahren. Aber wie auch immer, die 100 km-ÖM war auch so ein großer ULT-Erfolg.

Herzliche Gratulation, an dieser Stelle, nochmals an alle Läuferinnen und Läufer. Bei der Siegerehrung applaudierten auch Martin Wustinger und Richard Rainer.

Bei der nächsten Gelegenheit wird wohl auch dieses Duo in Aktion zu sehen sein.