Es fehlen mir einfach die Worte. Es fehlen mir die Worte, um all die Fakten und Gedanken einordnen zu können, um den Dolomiti Extreme Trail 2024 greifbar zu machen. Ja, klar, 55 km, rund 3800 Höhenmeter sind Zahlen, die ein wenig eine Ahnung von den Bemühungen und Anstrengungen geben an jenem Tag. Ja, klar, der „Männerausflug“ mit Andre Kipper und Alejandro Boucabeille hat Spaß gemacht und unsere Freundschaft vertieft.

Und dennoch.

Und dennoch tippe ich hier, Tage nach dem Überschreiten jener Ziellinie in Forno di Zoldo, Buchstaben in den Laptop, die zwar Sätze ergeben und mir dennoch sinnlos erscheinen. 100 Stunden nach dem DXT 2024 bin ich immer noch nicht angekommen, und was ich derzeit verspüre, habe ich noch nie erlebt.

Was ich kenne, ist, dass Adrenalin und Dopamin den Körper fluten, wenn das Ziel erreicht ist und die Bemühungen beendet sind, dass der Kreislauf zusammenbricht und ich sanitäre Hilfe benötige, dass ich heulend in Tränen ausbreche wie ein kleines Kind. Ziellinien sind emotionale und körperliche Grenzerfahrungen.

Doch am Ende meines Lauf in den venezianischen Dolomiten hebe ich kurz die Stöcke und lächle gequält in die Kamera des offiziellen Fotografen, verlasse den Zielraum, stoße mit einem Laufkollegen bei einem Becher Bier an und unterhalte mich kurz mit den Organisatoren, um ihnen für diesen tollen Event und diese tolle Erfahrung zu danken.

Hinter mir liegen 14:22 Stunden Leiden (ja, ja: erste-Welt-Jammerei auf hohem Niveau) und ich weiß Tage danach immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Stolz ist da, es geschafft zu haben, auch Befriedigung. Doch zuallererst bin ich nur leer.

Und das bin ich immer noch.

Ich könnte an dieser Stelle analysieren, was gut und was weniger gut war, könnte erzählen, dass die ersten 20 Kilometer echt gut liefen und dass ich auf diesen zu wenig Energie zu mir nahm, dass es sich immer rächen wird, nur mit Wasser und Gels durchkommen zu wollen, und dass ich im Mittelteil der Strecke wieder einmal Lehrgeld zahlte, dass ich mich durch einen mehrstündigen Grübelkreislauf quälte, aufgeben wollte, darauf vertraute (!), den Time Cut von 9:30 Stunden knapp, aber sicher nicht zu schaffen und dann überrascht, enttäuscht und frustriert war, als ich doch noch im Zeitlimit blieb.

Fast fröhlich laufe ich den letzten Trail zum Verpflegungszelt, ein bisschen Wehmut ist dabei, aber grundsätzlich bin ich froh, dass es vorbei ist.
„Ich bin raus, oder?“, frage ich die Zeitnehmer.
„Nein! Das Zeitlimit liegt bei zehn Stunden!“
So ein Mist!

Und dann trotzig entschied, diesen DXT fertigzulaufen.

Ich könnte erzählen von einem Gewitter, das rund 15 Kilometer vor dem Ziel gefährlich nahe kam und in mir die Erinnerungen des Lavaredo Ultra Trail 2021 hochbrachte, bei dem ich in Blitz und Donner stürzte und mir den linken Oberarm brach. Ich könnte erzählen von jenem Schild, das die Organisatoren (oder ein anderer Spaßvogel) vor der letzten, schweren Steigung angebracht hat. „Wenn du weinen willst, dann jetzt.“ Und ich könnte erzählen von den Gespräche mit anderen auf den letzten hundert Metern. „Did you enjoy?“ „Hm. Enjoy? Might be the wrong word.“

Mein Dolomiti Extreme Trail hat mich überflutet mit all seinen Reizen. Er hat mir Höhenmeter vor die Füße geworfen, als hätte er sie zu verschenken. Er hat mich gefordert und belohnt mit Auf- und Abstiege, die zu den schwierigsten zählten, die ich in meiner kurzen Trailrunning-Laufbahn bestritten habe, und dennoch werde ich die Wege hinauf zum Biwak Grissetti und von dort wieder hinunter in Ehren halten. Doch vor allem hat er mich mit einem Bild belohnt, das mir wertvoller als der Zieleinlauf ist. Nachdem sich das Gewitter verzogen hatte, der Himmel aufklarte, die letzte schwere Steigung genommen war und ich auf dem Aussichtsberg Monte Punta stand, hatte ich einen kristallklaren 360 Grad-Blick auf die Bergwelt des Val di Zoldo: Gänsehaut, aber pur.

Zuweilen geht es bei einem Ultra bzw. grundsätzlich bei einem Lauf um diesen einen, einzigartigen, unwiederbringlichen Moment. Der Monte Punta war jener Moment, der meinen ganzen Tag einen Sinn verliehen hat. Dass dann die zehn Kilometer hinunter nach Forno di Zoldo quasi eine einzige Schlammschlacht waren – geschenkt. Das Finish war lediglich eine Zugabe.

Selbstverständlich bräuchte ich eine solche extreme Erfahrung nicht wiederholen, es gibt ja auch andere schöne Läufe…

… aber 2025 werde ich wieder dort sein, für die Erfahrung eines wirklich einzigartigen Rennens und einer herausragenden Organisation, für das Erlebnis einer wunderbaren Bergwelt, für den Genuss einer sensationellen Küche. Der Dolomiti Extreme Trail hat mir so vieles genommen und mich um so viel mehr bereichert.

Doch vor allem hat er mich gefangen genommen.
Und das wird auch so bleiben.


Seid ihr 2025 auch dabei? Hier gibt es weitere Informationen: www.dolomitiextremetrail.com