Der Entschluss, den Moskau-Marathon zu laufen wurde mir erleichtert, da ich seit geraumer Zeit einen Bekannten habe, der in Moskau und lebt. Außerdem kam dann noch glücklicherweise dazu, dass Josef auch noch einmal in Moskau laufen wollte. Er ist den Marathon schon letztes Jahr gelaufen und hat sich auch schon sehr gut in der Stadt mit all ihren Eigenheiten ausgekannt.



Im Vorfeld gab es einige Hürden zu überwinden. Gesundheitszeugnis, Einladungsschreiben für die Einreise nach Russland, Visum. Aber gemeinsam mit unserem Bekannten und seinen Tipps hat sich das alles als viel einfacher herausgestellt als befürchtet.

Die Anreise mit Aeroflot war angenehm. Am Flughafen wurden wir von einem Uber abgeholt, der von Thomas (unser Bekannter) hin dirigiert wurde. Das Taxi hat uns dann direkt zur Messe gefahren, die diesmal sehr weit außerhalb der Stadt gelegen war. Hier lernen wir auch erstmal den russischen Straßenverkehr kennen. Haarsträubend (wenn ich denn noch genug Haare hätte). Die Marathonmesse findet auf dem Messegelände Krokus statt. Dafür war es dort alles sehr großräumig und super organisiert. Vor Ort haben wir dann auch erstmal Thomas selber getroffen.

Noch immer mit Gepäck unterwegs, jetzt aber mit Startersackerl und Startnummer , fahren wir nun gemeinsam mit der U-Bahn ins Hotel. Gut das sich in Begleitung bin, denn ich wäre Anfangs sicher überfordert gewesen, mit dem U-Bahn-System, der Orientierung und der kyrillischen Schrift. So aber kommt es, dass wir schon am Tag der Anreise alles Organisatorische erledigt haben und uns den Tag vorm Marathon dem Sightseeing widmen können. Dies war im Nachhinein gesehen  ein Riesenvorteil , da ich so einen Eindruck der Stadt bekommen konnte und mich so am Marathontag zumindest ein bisschen orientieren konnte.

Begonnen haben wir die Stadtbesichtigung, wie kann es anders sein, mit einem Lauf, einem Frühstückslauf. Hier läuft auch noch ein deutschsprechender Russe mit, der uns dankenswerterweise auch noch eine perfekte Touristenführung bietet, wir laufen um den Kreml, über den roten Platz und vielen weiteren Sehenswürdigkeiten. Zum Abschluss dann das erste original russische Frühstück. Herrlich.


Am Nachmittag machen wir dann noch eine Bootstour über die Moskwa – der Marathon führt lange Zeit am Fluss vorbei, so, dass wir auch hier schon einen Großteil der Strecke sehen können. Am Nachmittag dann fahren wir noch zum neuen Hochhauszentrum, wo wir mit Lift auf die höchste Aussichtsplattform Europas fahren und uns von oben die gesamte Strecke ansehen können. Ich liebe es, Städte von oben betrachten zu können.

Hundemüde von der Stadtbesichtigung schlafe ich tief bis zum Marathontag.

Leider hat es einen Wetterumschwung gegeben. Am Vortag hat das Katastrophenschutzministerium eine Warnung für Moskau ausgegeben mit Vorhersage von Gewitter, Schneeregen und Sturm. Das alles bei 4° Nachtemperatur. Zum Glück ist es dann nicht ganz so schlimm gekommen. Ich greife vor: Es hat nur eine Stunde lang geregnet, in Etappen, dafür aber im kalten starken Wind. Aber insgesamt weniger schlimm als befürchtet.

Der Start vom Marathon ist beim Luzhniki-Stadion. Gut mit der U-Bahn erreichbar.  Die Startwellen sind perfekt organisiert, und man kann schon nach nur 1 km sein Tempo frei laufen. Die superbreiten Straßen von Moskau sind da ein Segen. Leider habe ich schon beim ersten Schritt einen Schmerz im Oberschenkel, fühlt sich an wie eine Verhärtung des Muskels. Das kann doch nicht wahr sein. Sicher nur Einbildung. Ich laufe mein Tempo und beachte es nicht weiter. Erst am Tag nach dem Marathon sehe ich dann das Ergebnis, ein großer Bluterguss. Komisch, am Tag davor konnte ich noch problemlos laufen, und auch am Weg zum Start war da nichts. Im Nachhinein spekuliere ich, dass es die Kälte war, Unaufgewärmt direkt mit Marathonpace zu laufen und das bei 4°, das war nicht so optimal. Andererseits, viel Platz zum Aufwärmen hätte ich im Startblock eh nicht gehabt. Wie auch immer, es hat nichts am Marathonresultat geändert.


Der Start aus dem Stadiongelände läuft direkt auf eine der sieben Schwestern zu.  Wahnsinns-Kulisse.  Ich bin schwer beeindruckt habe schon auf den ersten Metern Gänsehautfeeling. Ein paar km später geht es dann an den neuen Hochhäusern vorbei. Hier wird allerdings auch der Wind kanalisiert. Sehr schwer zu laufen.  Bei km 12 halte ich Ausschau nach der Frau von Thomas, die dort beim Billa stehen wollte (ja, es gibt Billas in Moskau J ) Aber sie ist noch nicht da, und so fällt mir die Entscheidung leicht , ob ich die Jacke bei ihr ablegen soll oder nicht. Im Nachhinein war es ein Segen, da der immer wieder einsetzende kalte Regen mit T-Shirt alleine sicher zu wenig gewesen wäre. Allerdings muss man das auch wieder relativieren. Ich habe 2 Russen gesehen , die den ganzen Marathon mit nacktem Oberkörper gelaufen sind :-D
Um zu km 12 zu kommen muss man schon die ersten Höhenmeter bewältigen. Unser russischer Freund hat schon am Vortag gesagt, dass Moskau, wie Rom, auf 7 Hügeln liegt. Jetzt sehe und spüre ich was er meint, ganz schön steil zum Teil. Dafür geht es aber danach auch immer wieder bergab.

Auffallend in Moskau ist auch der hohe Sicherheitsaufwand der betrieben wird. Im Alltag muss beim Zugang zur U-Bahn schon durch Sicherheitsschleusen, mit Gepäck muss man auch durch den Gepäckscanner. Auch wird mit Sprengstoffsonden kontrolliert. Beim Marathon wird das Ganze so gehandhabt, dass ca. alle 200 Meter ein Soldat links und rechts von der Strecke steht. Die komplette Strecke ist so abgesichert. Wegen der Kälte sind alle in großen Tarnanzügen eingepackt und vermummt. Schaut skurril aus.

Die Strecke führt an vielen Sehenswürdigkeiten wie dem St.Peter Denkmal, dem Kreml etc. vorbei. Es ist wirklich schön und spanend zugleich. Was mir bei den Läufern auffällt, ist, dass alle sehr diszipliniert laufen, es gibt keine Ausreißer die schnell überholen, drängeln etc. Alle laufen konstant ihr Tempo, auch bleibt fast keiner in der zweiten Hälfte stehen um zu gehen oder zu dehnen. Die meisten dürften sich richtig einschätzen und auch sehr gut trainiert sein.  So ist auch das laufen und die Laabestationen sehr angenehm.


Ich kann mein Tempo zum Glück auch halten, auch wenn ich zum Schluss schon arg kämpfen muss. Meine Zielzeit von 3:30 werde ich zwar nicht erreichen, aber unter optimaleren Bedingungen wäre es vielleicht möglich gewesen. Mein beleidigter Muskel tut unterwegs zwar immer mehr weh, aber ich erinnere mich an Josef Kladenskys Aussage in seinem Buch, dass man einen Schmerz nicht immer zu ernst nehmen soll, denn es wir dein anderer Schmerz kommen, der den ersten ablöst und den Ersteren  dann vergessen lässt. So auch hier, ich habe bei km 35 plötzlich einen Schmerz von einer Sehne an der Hüfte und alle anderen Wehwehchen waren vergessen. Funktioniert super :-D

Zuschauer gab es an der Strecke eher weniger. Bis auf eine Stelle wo unser russischer Freund mit einer Gruppe stand. Ein Lauftreff, der sich in Moskau zu Beer-runs trifft. Unter anderem laufen sie einmal im Jahr zu einer Brauerei außerhalb Moskaus, verpflegen sich dann dort und fahren dann wieder öffentlich zurück (laufen könnte da wohl niemand mehr) An der Marathonstrecke machen sie unglaublich viel Stimmung. Es ist aber auch hier Bier und Wodka im Spiel.  Wie soll man auch sonst diesem Wetter standhalten? Allerdings haben sie Probleme mit der Polizei bekommen. Diese dachten dass das eine unerlaubte Demonstration wäre und wollte die Gruppe auflösen. Erst durch viel zureden konnten die uns weiter anfeuern.
Ansonsten gab es noch viele Zuschauer beim Zieleinlauf.

Im Ziel gab es dann natürlich Decke und Verpflegung. Allerding musste ich noch auf Josef uns Thomas warten. Bei der Kälte nicht gerade angenehm - umso mehr freute ich mich, als die beiden dann auch heil  glücklich eintrafen. Die beiden hatten auch ihre eigene Wehwehchen-Vorgeschichten und es war nicht so selbstverständlich dass sie es o gut schaffen würden.

Glücklich sind wir dann zusammen wieder zurück in die Stadt gefahren.

Am Abend bin ich dann noch mit Josef zur offiziellen Marathon-After-Party ins Hard Rock Café gefahren. Dort gab es noch eine coole Party mit lauter live-Musik und Tanz. Nach ein paar Bier torkeln wir aus dem Lokal und gehen Richtung Hotel. In der Fußgängerzone kommt ein Polizeiauto auf uns zugefahren und 2 Polizisten steigen aus und kommen auf uns zu und reden uns in scharfem Ton auf Russisch an. Natürlich haben wir nicht verstanden was sie wollten. Ich nehmen an, wir waren aufgrund unseres Gehstils verdächtig, aber vielleicht auch weil Josef 2 Dosen Bier in der Hand hielt. Josef hat aber direkt ganz cool reagiert. Er nimmt die Marathonmedaille aus der Tasche (die übrigens groß und ansehnlich ist), und zeigt sie dem Polizisten wie wenn er vom KGB wäre und sagt „We are Marathon-runners . Die 2 Polizisten verstummen, ziehen sich ins Auto zurück und wir können weiter ins Hotel.

Die folgende Tage haben wir noch Vieles in der Stadt angeschaut, einige Museen und viel gegessen. Insgesamt bin ich sehr beeindruckt von der Stadt und kann den Marathon nur empfehlen