Eine ganz persönliche Geschichte der Lauf-Sucht
Da ist wirklich was dran: Wer läuft, wird süchtig. Und diese Sucht ist ansteckend.
Geburtstagswünsche
Im Februar hatte ich einen runden Geburtstag. Und was hätte ich mir da mehr wünschen können als einen Laufurlaub? Edit suchte den Ort aus: Rom. Als ich Gina davon erzählte, lachte sie nur: „Ich bin schon längst angemeldet. Josef, Erwin, Richi und Barbara kommen auch.“ Und sie scherzte nicht.
Da es in Rom keinen Halbmarathon gab, meldeten wir uns – Edit, Évi und ich – schon im Herbst für die 42 km an. “Wer einen Halbmarathon schafft, kann auch einen ganzen…” - versuchte ich die Damen zu motivieren. Zu Hause erwähnte ich noch nicht, dass mein eigentlicher Plan nicht in Rom endete. Drei Wochen später wollte ich bei einem Traillauf starten. Genauer gesagt, bei einem „Ultra-Traillauf“, der mich schon lange reizte: 53 km mit 1.500 Höhenmetern in der Nähe von Wiener Neustadt. Damit mich ja niemand davon abbringen konnte, meldete ich mich gleich an. Und schon war die Geburtstagsparty geplant.
So kam es, dass wir Christians Geburtstag (März) in Rom feierten. Ich mit einem Marathon, Christian damit, dass er ein langes Wochenende ohne Arbeit mit uns verbringen durfte 🤭.
Die Gästeliste für die Party
Für die Vorbereitung war vielleicht das Wichtigste, dass ich den Winter ohne größere Krankheiten überstanden habe – nicht zuletzt dank unserer Nachbarn Karin und Opa Christian.
In den letzten Monaten wurde es zur Routine, dass wir an freien Tagen (danke Christian!) mit einer feinen Damengruppe (Anne, Gina und Katja) neue Strecken erkundeten. Man könnte es auch als „Girls Run“ bezeichnen – wenn wir nicht alle zwischen 40 und 61 wären. Mit Évi und Edit motivierten wir uns hauptsächlich online.
Rom und der Marathon als Grundlagenausdauer
Das Marathon-Wochenende war wunderbar, auch wenn die Kinder schon krank in den Zug stiegen – und die Bahn mal wieder nicht durch ihre Pünktlichkeit glänzte. Wir trafen viele Bekannte, manche nur für ein kurzes Hallo, mit anderen war Zeit für Spaziergänge oder Abendessen. Évi und ich liefen z. B. 20 km gemeinsam während des Marathons.
Trainings-Endspurt
Wieder zu Hause folgte der letzte Feinschliff: Trainingslager mit Tante Dunja (andere nennen es kinderfreundliches Thermalhotel), eine Familienwanderung mit Extragewicht mit Nana und ihren Freunden (auch bekannt als Wanderung mit Kindern), meine Schwester Gabi flickte in letzter Minute meinen Lauf-Rucksack, und Christians Eltern übernahmen die Verantwortung, unsere beiden Kinder über das Wochenende am Leben zu halten und zu unterhalten (man nennt es glückliche Kinder, glückliche Großeltern).
Die Party beginnt: Rosalia Trail Challenge
Drei Wochen später kam ich gerade in Katzelsdorf am Start an, als ich eine Nachricht von Karin bekam: Sie waren gerade zu ihrer 38 km Wanderung beim Rosalia Trail aufgebrochen. Genau 12 Stunden zuvor hatte sie noch meine – nach zwei Geburten nicht ganz unversehrte – Hüfte mit einer Massage gerichtet. Ich rechnete damit, sie gegen 10:30 Uhr einzuholen.
Wir warteten auf den Start im warmen Gebäude mit den anderen unseres Vereins (ULTHeustadlwasser). Auch Kata war dabei, ohne die ich Trailrunning wahrscheinlich nie verstanden oder ausprobiert hätte. Zita und Ági, meine erfahrenen Supporterinnen, waren in Ungarn unterwegs und verfolgten Stunde für Stunde die News online.
Los geht’s!
„Der Rom-Marathon war ein idealer langer Lauf zur Vorbereitung für heute“, antwortete ich Erwin kurz nach dem Start. Er grinste: „Du behandelst den Marathon mittlerweile als Trainingslauf? Dann haben wir dich wohl erfolgreich angesteckt in den letzten Jahren.“
Wir liefen weiter.
Gina und ich liefen das erste Halbmarathon-Stück recht zügig. Um 10:14 Uhr holten wir die aufwärts stapfenden Karin und Opa Christian ein – es blieb sogar Zeit für ein paar gemeinsame Fotos. Auch ohne viele Worte wussten wir: Wir haben Glück, dass wir diesen Moment gemeinsam erleben dürfen. (Und ja: Karin plant bereits die Rosalia Trail Challenge fürs nächste Jahr – die ersten Anzeichen der Sucht zeigen sich auch bei ihr.)
Nach Kilometer 30 dachte ich plötzlich an unseren Sohn Leno, der gleich beim Frühlingslauf in Payerbach starten würde. Dieses Jahr vertritt er die Familie dort allein – wir hoffen, dass die beiden Events nächstes Jahr nicht wieder am selben Tag stattfinden.
Mir war klar, dass unser Tempo etwas zu ambitioniert war, aber heute wollte ich das spüren. Meine Grenzen erleben. Wenn das Laufen seine besonders Wirkung entfaltet: Der Kopf wird frei, der Stress verliert an Bedeutung, der Puls schlägt schneller – doch innerlich wird es ruhig. Gefühle werden spürbar. Die Welt wird schlicht. Und unser Leben einfach.
Ich bemerkte kaum, dass wir den Marathon hinter uns hatten. Ich war einfach nur froh, im Tal laufen zu dürfen. Kopf und Beine kannten dieses Gefühl schon. 10 km mehr oder weniger spielten keine Rolle.
Im Ziel warteten Katja und Opa Christian auf uns. Gina und ich kamen fast gleichzeitig an. Diese Lauf-Familie, unsere Freunde – sie sind etwas Besonderes. Ohne sie wäre vieles anders. Auch wir. Etwas, das süchtig macht. Mit oder ohne Laufen. Gemeinsam unterwegs. Und doch jeder auf seinem ganz eigenen Pfad.
Der Tag danach
Am Sonntag ergab sich die seltene Gelegenheit, eine Stunde zu zweit mit meinem Mann zu verbringen:
– „Wir könnten mit meinen Eltern ins Looshaus essen fahren, aber zu sechst passen wir nicht ins Auto“, schlug Christian vor.
– „Sind ja nur 5 km. Und vielleicht ein paar Höhenmeter. Laufend“, antwortete ich.